Wandschmuck

Schutzengel- und Segensbilder, Poster


Schutzengeldarstellung (sog. "Abgrundbild"), Inv.-Nr. 1087

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Besitz von gerahmten Bildern und Bildoriginalen (Unikaten) ein Privileg des Adels und der begüterten bürgerlichen Oberschicht. Für das „einfache Volk“ waren allenfalls die von Kolporteuren („fliegende Händler“/Hausierer) vertriebenen Flugblätter erschwinglich und ein sorgfältig gehüteter Schatz. Dabei handelte es sich meist um Holzschnitte, die nur selten koloriert waren, gegen Ende des 15. Jahrhunderts auch zunehmend um Kupferstiche. Der Kostbarkeit entsprachen die Bildmotive: spektakuläre, einmalige Ereignisse, religiöse Motive und Wallfahrtsdevotionalien, aber auch langlebiges Gebrauchsgut wie Spielkarten.
Diese Situation änderte sich grundlegend erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Ausschlaggebend dafür waren neben der sukzessiven Verbesserung der ökonomischen Situation vor allem drei technische Innovationen:
• die Erfindung der Lithografie,
• die Erfindung der Farblithografie (Chromolithografie), insbesondere des Öldrucks
• Die Erfindung der Fotografie
Hinzu kam, als weiterer mit diesen technischen Neuerungen in Wechselwirkung stehender Faktor, die Werbung.

Diese Phänomene bewirkten eine nie zuvor da gewesene Illustrierung und Kolorierung des Alltags. Bebildert und bunt wurde alles, was mit Hilfe der neuen Bilddrucktechniken bedruckt werden konnte; aus Büchern wurden Bilderbücher, aus Zeitungen und Zeitschriften eine immer stärker illustrierte Presse, aus Buch- und Heftumschlägen Bildeinbände, aus Verpackungen Werbeflächen, aus Werbeanschlägen Plakate, aus Kurznachrichten Bildpostkarten, aus Rechnungszetteln Reklame- und Sammelbilder, aus Flugblättern Bilderbogen. Und aus den in ihrer Auflagenhöhe beschränkten Holzschnitten und Kupferstichen, ja sogar aus bisher singulären Bildoriginalen wurden praktisch unbegrenzt multiplizierbare Massenbildprodukte. Zwei Regeln, die sich immer wieder bei der Entstehung neuer Medienprodukte feststellen lassen, bestätigten sich auch bei der Entwicklung der massenhaften Wandschmuckproduktion:
• Die neuen Medien reproduzieren zunächst die schon bewährten Inhalte der älteren Vorläufer
• Eine Zielgruppenspezifizierung, auch hinsichtlich eines Kindermarktes wird erst in einem zweiten Schritt entwickelt.

So hielt sich auch die etwa ab 1840 in Schwung kommende Wandschmuckfabrikation zunächst an bewährte Sujets und Motive: Religiöse Themen bildeten den Hauptanteil. Neu hinzukamen – vor allem dank der Öldrucktechnik – auch Motive und Stile, die bisher der singulären Bildproduktion (Ölmalerei) vorbehalten waren. Neben historischen und literarischen Motiven war es vor allem die sogenannte Genremalerei der holländischen Meister des 17. Jahrhunderts (im Sinne ausgesuchter und malerisch geschönter Alltags- und Liebesszenen), die sich besonders großer Beliebtheit erfreute.
Öldruckgrafiken wurden auf Wunsch auch glasgerahmt ab Druckerei geliefert, was nicht nur die Lebensdauer und die – allerdings nur vorgetäuschte – Wertigkeit der Massenprodukte unterstrich, sondern sie zugleich in die Wohnungsausstattung (als „Möbelbilder“) integrierte.

Bei der Herausbildung von Geschmacksmustern spielten einerseits illustrierte Familienzeitschriften wie die Gartenlaube mit ihrem reichhaltigen ganzseitigen Bilderangebot eine einflussreiche Rolle und zum anderen die Werbung bei Ausstellungen und Messen. Häufig wurden die als „wertvolle Ölbilder“ deklarierten Drucke auch als preisgünstige Prämienangebote – zum Beispiel bei Abonnements von Zeitschriften oder Kolportageromanen (Lieferungsromanen) ausgelobt.

Weitgehend schichtübergreifend setzte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das fast immer religiös gestimmte, glasgerahmte Schlafzimmerbild oder Schlafzimmerbildpaar durch (im Alemannischen z.B. als „Tafele“ bezeichnet und nicht nur dort ein beliebtes Hochzeitsgeschenk). Unter den religiösen Motiven, waren Herz Maria / Herz Jesus, Jesus am Ölberg, Krankenheilung oder Ecce Homo besonders beliebt. Später als Inbegriff des Kitsches in Verruf geratene Motive waren Hochzeitsträume, Amouretten- und Elfenreigen, Tier- und Jagdmotive (wie der berüchtigte „röhrende Hirsch“) sowie Gebirgs- und Heidelandschaften.

Eine Brücke zu den speziellen Kinderzimmer- bzw. Schutzengelbildern spannen kindbezogene biblische Motivkreise wie Maria mit Jesuskind (z. B. Taubenmadonna), Die heilige Familie, Jesus lehrt als Zwölfjähriger im Tempel, Jesus segnet die Kinder / Lasset die Kindlein zu mir kommen und diejenigen unter den Haussegenbildern, die direkt an die Kinder appellieren.
Die Schutzengelbilder, entstanden als Genre etwa ab 1880, sind typische Kinderbett- bzw. Kinderzimmerbilder und zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass ein entgegen christlicher Mythologie weiblicher, leicht bekleideter Engel ein Kind oder ein Geschwisterpaar in einer Gefahren- oder Krankheitssituation beschützt, rettet oder heilt. Ein beliebtes Untergenre sind dabei die sogenannten „Abgrundbilder“.

Nicht zuletzt aufgrund aktueller Esoterik- und Spiritualitätstrends erlebt gerade das Schutzengelmotiv, als Amulett, Skulptur oder Andachtsbildchen, aber auch als Bild über dem Kinderbett, eine Renaissance. Dabei ist bemerkenswert, dass sich sowohl die Motive als auch der realistisch-sentimentale, an die Nazarener aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelehnte Stil in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten kaum verändert hat. Gefahren der modernen Umwelt, wie z.B. der Straßenverkehr wurden in den Schutzengelbildern bisher nur vereinzelt thematisiert.

Zu den speziellen Kinderzimmer-Bildmotiven gehörten schon im 19. Jahrhundert auch Märchenmotive und sentimentale Tier-, Tierkinder- bzw. Tier-Kindbilder. Nach dem Zweiten Weltkrieg vermehrte sich der Wandschmuck in den Kinderzimmern stark und verlagerte sich immer stärker auf Figuren aus Medienverbünden (z.B. Disney) und Poster von Stars aus TV-, Film- und Musikproduktionen. Seit den 1950er Jahren nahm die Bedeutung von Bildwandkalendern als Wandschmuck ständig zu.
Typisch für den Zimmerschmuck der 1960/70 und 1980er Jahre waren auch die „Starschnitte“ der Zeitschrift Bravo, in denen das Medium des Ausschneidebogens wieder auflebte. Die 1959 begonnene Serie der Starschnitte wurde 2006 mit einem Starschnitt von Tokio Hotel eingestellt.
Heute konkurrieren die Poster als Zimmerschmuck zum einen mit preiswerten individuellen postergroßen Fotodrucken auf Leinwand und zum anderen mit einem reichhaltigen Angebot an Klebebildern (Stickern).

Moderne, leicht bedruckbare Kunststofffolien haben auch einer alten Bildtechnik, dem Fenster- oder Transparentbild (auch „Diaphanbild“ [von griech.: diaphan = durchsichtig]), wieder zu neuem Leben verholfen. Diaphanbilder (oder „Diaphanien“) sind mindestens bis ins 16. Jahrhundert zurück nachweisbar. Früher wurden sie direkt mit „Diaphanlack“ auf Glas gemalt, im 19. Jahrhundert aus farbigem Transparentpapier gefertigt. Die meist auf Fensterscheiben geklebten Diaphanbilder sind besonders in der Vorweihnachtszeit beliebt, wohl auch deshalb, weil sie an die Glasmalerei alter Kirchenfenster erinnern, die auch die Anregung für die Diaphanbilder lieferten.

Literaturhinweise

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