Der Bänkelsänger, Wilhelm Ernst Dietrich 1740

Auf einem Jahrmarkt im Elsaß (Detail), Phillipp Müller 1880

Bänkelschild Die armen verlassenen sieben Waisenkinder aus Böhmerland geschehn in Amerika

Bänkelsänger

Der Bänkelsang -

ein multimedialer Verbund

“Es ist wunderbar, dass der Mensch durch Schreckliches immer aufgeregt sein will. Es ist an Mord und Totschlag noch nicht genug, an Brand und Untergang; die Bänkelsänger müssen es an jeder Ecke wiederholen. Die guten Menschen wollen eingeschüchtert sein, um hinterdrein erst recht zu fühlen, wie schon und löblich es ist, frei Atem zu holen."
J. W. von Goethe aus: „Novelle“ (1797/1828)

Der Bänkelsang ist von Anfang an ein Multimedium, in dem szenische Darstellung, Sprache, Bild, Musik und Gesang – später auch Lesestoffe – vereint sind. Er entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts - seit dem Ende des Dreissigjährigen Krieges. Als szenisches Medium war er besonders im 18. und 19. Jahrhundert populär.
Aufgeführt wurde er meist von umherziehenden speziellen Bänkelsängertruppen vor allem auf Volksfesten und Jahrmärkten.
Der Sänger oder die Sängerin standen meist auf einem Podest oder einer kleinen Bank (dem Bänkel), untermalt wurde der Vortrag mit Musik und Bildtafeln (Schild). Bevorzugte Begleitinstrumente waren Fidel oder Laute, später die Drehorgel. Die Attraktivität der Auftritte wurde durch Kostümierung, Kunststücke und mitgeführte Tiere erhöht.

Thematisch bot der Bänkelsang zunächst eine szenische Inszenierung von Flugblatt- und Kalendergeschichten.
Mit der wachsenden Lesefähigkeit des Publikums „literarisierte“ sich das Medium zusätzlich: Die gereimten und gesungenen oder in einem Singsang vorgetragenen, komischen oder schauerlichen Geschichten („ Moritaten“) wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend auch in Form von illustrierten Textzetteln oder -heftchen („Bänkelheft“) verkauft. Im 20. Jahrhundert wurde der Bänkelsang durch den Sensationsjournalismus verdrängt. Eine mediale Brücke zwischen den Flugblättern und den Bänkelsängerheftchen stellen die zum Teil illustrierten Lied- und Textheftchen dar, die bei öffentlichen Hinrichtungen verkauft wurden. Sie schilderten meist in erbaulich-moralisierendem Ton die Biographie, den Tathergang und die Bestrafung der Delinquenten.

Zahlreiche zeitgenössische Darstellungen belegen, dass Kinder und Jugendliche ein bevorzugtes und besonders fasziniertes Publikum dieser Auftritte waren.

Literaturhinweise