Papiertheatervorführung

Papier-Kaspertheater mit Finger-
püppchen. Aus Ausschneidebogen des Aue-Verlags gebastelt. Inv.-Nr. 1346

Originalnachdruck der Schreiber-papierbühne aus dem 19. Jahrhundert mit Kulisse des Stückes Wilhelm Tell.

Darstellung eines Schattentheaters, Ombres chinoises, le lapin, Ferdinand Loyen du Puigaudeau 1895

Papiertheater

„Es ist nichts, nur Papier, und doch ist es die ganze Welt.“
Peter Høeg

Papiertheater waren im 19. Jahrhundert sehr populär. Sie brachten klassische und aktuelle Theaterstoffe (Märchen, Schauspiele und Opern) in die adeligen und bürgerlichen Kinderzimmer. Wie der etwa zeitgleich prosperierende Bilderbogen und im 20. Jahrhundert dann die Kindertonträger war das Papiertheater ein wichtiges Medium für die frühe Vermittlung von ursprünglich mündlich tradiertem volkstümlichen wie literarisch-bürgerlichem Bildungsgut. Das zumindest teilweise Auswendiglernen der gereimten Texte dürfte - zumindest bei den Akteuren – diese Funktion noch verstärkt haben.

Als (einer der) Erfinder des Papiertheaters gilt der Augsburger Kupferstecher Martin Engelbrecht (1684-1756). Er produzierte zunächst großformatige Guckkastenbilder für professionelle Guckkasten-Wanderschausteller. Dann kam er auf die Idee, die Bilder zu verkleinern und sie auch Privatkunden anzubieten. Diese in Pappmappen angebotenen Miniatur-„Dioramen“ gelten als früheste Beispiele des Papiertheaters.

Meist mussten die einzelnen Teile der Papiertheatermappen erst noch ausgeschnitten, montiert, geklebt und teilweise auch noch koloriert werden. Dies stellte einen für die Beliebtheit des Mediums nicht unerheblichen zusätzlichen Gebrauchswert als Geschicklichkeitsübung, Beschäftigungs- und Fleißaufgabe dar.

Die Erfindung der Lithographie (Steindruck) durch Alois Senefelder als preiswertem Farbdruckverfahren Ende des 18. Jahrhunderts beförderte die Produktion farbiger Druckerzeugnisse jeglicher Art, wovon auch das Papiertheater profitierte.

Zu den beliebtesten Themen des Papiertheaters gehören Szenarien der Weihnachtskrippe. Im Schwäbischen wurden schon im 18. Jahrhundert mit Hilfe von Papierkrippen häusliche Krippenspiele veranstaltet.

Zu den wichtigsten Produzenten von Papiertheatern gehört der 1831 gegründete und bis heute aktive Verlag J. F. Schreiber in Esslingen, der auch mit Verwandlungsbüchern, Ausschneidebögen, Bilderbüchern und Unterrichtsmaterialien weltweit erfolgreich ist. Das erste bewegliche Papiertheaterbuch von Schreiber erschien 1864.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren Papierbühnen vor allem in bürgerlichen Familien beliebt, insbesondere Märchenstücke. Während Väter und Söhne Regie führten und schauspielerten, blieb den Mädchen meist nur die Rolle des Zuschauers.
Nach dem zweiten Weltkrieg gerieten die Papiertheater in Vergessenheit, erlebender in jüngster Zeit jedoch eine Renaissance.

Das Schattentheater
Ein Seitenzweig des Papiertheaters ist das Schattentheater oder Silhouettentheater, das von Holländischen Seefahrern nach Europa gebracht wurde. Im Gegensatz zu der bis ins zweite vorchristliche Jahrhundert zurückreichenden kunstvollen Tradition des asiatischen Schattentheaters, begnügte man sich in der europäischen Version für Kinder mit einfachen schwarzen Papierschablonen, die auszuschneiden und an Stöckchen zu kleben waren.
Lediglich eine Lichtquelle (z.B. eine Laterna magica) war nötig, um Fingerschattenspiele zu veranstalten. Wie etwa beim Fadenspiel gibt es auch hier einen bestimmten Figurenkanon, der über Generationen hinweg bis in die Gegenwart tradiert wird. Im 20. Jahrhundert griffen Pioniere des Trickfilms wie Tony Sarg - ganz besonders aber Lotte Reiniger (Die Abenteuer des Prinzen Achmed, 1926) und Bruno J. Böttge (DDR) - die Tradition des Schattentheaters im Medium des Films auf und entwickelten es weiter.

Ein Papiertheater als Bastelbogen gibt es auf der Seite des Literaturmagazins Rossipotti hier als Download.


Literaturhinweise

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