Geschichte des Heimkinos


Kombination aus Kinematograph und Laterna Magica, Leonhard Müller Nürnberg, ca. 1915, Inv.-Nr. 0636

Die Entwicklung und Bedeutung des Heimkinos ist ein noch weitgehend unerforschtes Terrain der Filmgeschichte. Das cineastische Interesse konzentrierte sich zunächst auf die Verbesserung der technischen Qualität des Kinofilms und seine Entwicklung zu einem bedeutsamen Massenmedium, andere Aspekte der Filmgeschichte rückten in den Hintergrund. Wenig ist bekannt, inwieweit schon in der Frühzeit der Kinematografie, weit vor Fernsehen und Videorekorder, versucht wurde, den Film auch zu einem privaten Heimmedium zu machen.

Die Ursprünge des frühen Kinos liegen in der öffentlichen Unterhaltungskultur der Schaubuden- und Varietés. Ende des 19. Jahrhunderts war die Zauberlaterne oder Laterna magica, ein Diaprojektor für Glasbilder, auch in wohlhabenderen Haushalten nichts Ungewöhnliches mehr. Ironischerweise hat wohl der schlechte Ruf, den der öffentliche „Kintop" gerade in Deutschland anfangs genoss, das im bürgerlichen Heim und unter elterlicher Kontrolle stattfindende „Familienkino" oder „Kinderkino", befördert und tolerabel gemacht.
Für den Übergang von der Laterna magica zum Filmprojektor waren jedoch noch zwei technische Handicaps zu überwinden: die geringe Lichtstärke und die Erzeugung des Stroboskopeffekts durch regelmäßigen ruckweisen Transport der Filmbilder. Die frühe Filmprojektion bestand somit im Wesentlichen darin, die mechanisch erweiterte „Hardware" Laterna magica mit einer neuen „Software", dem Film, zu bestücken. Die extrem leichte Entflammbarkeit der Nitratfilme schloss deren häuslichen Einsatz nicht aus, da der tägliche Umgang mit brennbaren Materialien im Haushalt etwas ganz Normales war.

Das Heimkino wurde bisher fast ausschließlich als Präsentationsort von selbstgedrehten Amateurfilmen gewürdigt. Der Dilettantismus dieser Filme wurde durch die aufgewendete Kreativität und den Stellenwert als Dokument der Alltags- und Familienfestkultur cineastisch geadelt. Neben dem Amateur-Familienkino hatten für Kinder Heimkinoversionen von Kinofilmen, ohne Ton, drastisch gekürzt und auf 16mm oder 8mm minimiert, eine große soziale Bedeutung. Konnte man sich so doch in heimischer Kulisse und unter privater Programmhoheit der Illusion eines „echten", mit kommerzieller Perfektion produzierten Kinofilms hingeben.

Weiter

Katalog

Literaturhinweise