View-Master-Betrachter Modell C aus Bakelit, 1940er Jahre, Inv.-Nr. 0689

View-Master-Projektor, 2000er Jahre, Inv.-Nr. 1225

Talking View-Master mit Szenen und Musik aus Michael Jackson's Musikvideo Thriller. USA 1984, Inv.-Nr. 0706

Stereomat, das Stereobildsystem der DDR, Inv.-Nr. 0698

View-Master

Oder die Welt ist doch eine Scheibe

Das View-Master-System ist ein Stereoskopverfahren zur Erzeugung räumlich wirkender Bilder, bei dem jeweils zwei identische Diapositive als Bildpaare auf einer Pappscheibe angeordnet sind. Eine View-Master-Scheibe enthält jeweils sieben Stereo-Bildpaare. Ein Hebel an der Seite des Betrachtungsgeräts ermöglicht das Weiterschalten von Bildpaar zu Bildpaar, und jedes Bildpaar vermittelt den Eindruck einer dreidimensionalen Szenerie. Die View-Master-Betrachter müssen entweder gegen das Licht gehalten werden, oder sie sind mit einer Lampe im Batteriebetrieb ausgestattet. Heute wird das System vorwiegend als Kindermedium vermarktet.

Das View-Master-System wurde vom 1903 in München geborenen Klavier- und Orgelbauer William (Wilhelm) B. Gruber erfunden, der Anfang der 1920er Jahre in die USA emigrierte. Gruber, ein begeisterter Stereofotograf, wollte die altmodischen, umständlichen Stereoskopsysteme dadurch verbessern, dass er die bis dahin üblichen einzelnen Bildpaare durch Scheiben mit sieben Bildpaaren und einen speziellen Bildbetrachter ersetzte. Dazu verwendete er den damals neuen Kodachrome-Farbdiafilm.Im Jahr 1938 konnte Gruber die Sawyer´s Corporation, den damals in den USA größten Hersteller von Gruß- und Ansichtskarten aus echten Fotos, für seine Idee gewinnen. Der Innovationsgehalt der erfolgreichen Erfindung war angesichts der Tatsache, dass es die Projektion mit Scheibenbildern bei der Laterna magica längst gab, relativ bescheiden.

Der View-Master wurde erstmals auf der Weltausstellung 1939 in New York als Alternative zur Ansichtskarte einem breiten Publikum vorgestellt. Damit begann ein ungeahnter Siegeszug der runden Scheiben, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch weltweit fortsetzte. Bis heute, so schätzt man, sollen rund eine Milliarde View-Master-Scheiben verkauft worden sein.
Thematische Schwerpunkte des Bilderrepertoires waren anfangs Reiseziele und wissenschaftliche Dokumentationen.
Als besonders lukrativer Schachzug erwies sich der Zukauf des Hauptkonkurrenten Tru-Vue, der schon seit Anfang der 1930er Jahre auf dem Markt war und die Rechte von Disney-Produktionen besaß. Mit der Ausschaltung des Konkurrenzsystems und dem Erwerb der Disney-Lizenzen (u.a. für Mickey Mouse, Donald Duck und Alice in Wonderland) begann ab 1955 für Sawyer’s ein neuer geschäftlicher Höhenflug. Spätestens damit etablierte sich der View-Master als eigenes Unterhaltungsmedium für den häuslichen Gebrauch.
Bald wurden auch spezielle Stereokameras und leere Bildscheiben angeboten, mit denen man eigene Fotos für den View-Master herstellen konnte. Die anfangs einzeln verkauften Bildscheiben werden seit den 1950er Jahren als Serien mit üblicherweise drei Schreiben konzipiert.

Neben den Bildbetrachtern für den individuellen Gebrauch gibt es auch spezielle Bild-Projektoren. Billige, einfache Geräte projizieren jeweils nur eines der Teilbilder und bieten damit keinen räumlichen Eindruck. Bei den teureren binokularen Projektoren werden beide Bilder projiziert, die mit einer 3D-Brille betrachtet auch räumlich wirken. Weniger erfolgreich waren bisher mehrere Versuche, die Bildscheiben mit einer Tonwiedergabe zu koppeln.

1966 wurde Sawyer's von General Aniline & Film Corporation (GAF) übernommen. Danach wechselte der Schwerpunkt der Bildserien zu Adaptionen bekannter Spielfilme, Trickfilme und Comics. 1981 wurde View-Master erneut aufgekauft und in die View-Master International Group umfirmiert. Nach mehreren weiteren Übernahmen und Fusionen gehört View-Master seit 1997 zu Mattel, wo es heute im Spielzeug-Sortiment der Marke Fisher-Price zu finden ist.
Der große Erfolg rief und ruft immer wieder Nachahmungen und Plagiatsysteme auf den Plan. Direkte Plagiate des patentierten View-Master-Systems waren Meopta (DDR) und Stereo-Rama (Italien); patentrechtlich zulässige Konkurrenzsysteme boten z.B. 3-D Bekastar (Bundesrepublik Deutschland), JIN (Spanien?), Colorelief und Lestrade (Frankreich), Stereomat (DDR), Stereopocket (Italien), Colorscope, Story-View, Stori Time in 3D oder True View (alle USA).
Eine zeitweise populäre Abwandlung des View-Master-Systems für den Reiseandenkenmarkt boten kleine einäugige - und deshalb nicht stereoskopische –Spielzeugfernseher („Guckis“).
Mit der Faszination des räumlichen Bildes und der zeitnahen Zusatzvermarktung aktueller TV-Serien, Kinder-, Jugend- und Familienfilme kann View-Master nach wie vor Anschluss an die aktuelle medienbezogene Kinderkultur halten.

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Literaturhinweise